
Bis dass der Tod euch scheidet
Kriminalgeschichte der 3ab, Pia Jahn, MS Leutschach
Der Pinsel strich gefühlvoll und langsam über die Leinwand, während ein paar heruntertropfende Tränen die Farbe verschmierten. Rote Farbe spiegelte sich im Fenster, er tunkte seinen Pinsel nochmals in die kleine Pfütze, die sich auf dem Teller ansammelte, um den letzten Strich zu ziehen. Mit einem zufriedenen Nicken streckte er die Leinwand auf Armeslänge von sich weg und betrachtete sein Kunstwerk. Mit einem feuchten Tuch wischte er das klebrige Messer sauber, verließ den Raum und ließ die Türe hinter sich ins Schloss fallen.
Kommissarin Lucy Sturz schlürfte genüsslich an ihrem Kaffee, als ihr Vorgesetzter, Inspektor Michael Mayers, den Raum betrat und ihr eine Vermisstenanzeige auf die Morgenzeitung legte. „Gerade hereingekommen“, brummte er und bediente sich an Lucys Frühstück. „India Scott, eine 28-Jährige aus Bastille, wurde heute Morgen von ihrem Ehemann Olaf Scott als vermisst gemeldet. Sie sei von ihrem abendlichen Spaziergang durch den Prinzenpark nicht zurückgekehrt. Blond, mit einer goldenen Brille und in einen schwarzen Wintermantel gekleidet. Eine Streife hat die Gegend bereits durchsucht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verbrechen vorliegt.“ Kommissarin Sturz nickte aufmerksam und erkundigte sich nach möglichen Verdächtigen. „Dafür brauchen wir dich, Lucy. Kannst du die Recherche übernehmen?“ Nach einigen Nachforschungen stach ihr besonders der Bruder der Vermissten ins Auge, da es vor Kurzem einen Streit in der Familie gegeben hatte, bei welchem besagter Bruder – Drako – seine Schwester geschlagen hatte.
Die Ermittler machten sich auf den Weg zu Drakos Haus, um ihn zu befragen. „Guten Tag, hier spricht die Polizei. Sie werden verdächtigt, mit dem Verschwinden Ihrer Schwester in Verbindung zu stehen. Aus sicherer Quelle wissen wir, dass es eine Auseinandersetzung zwischen Ihnen gegeben hat. Können Sie uns darüber etwas erzählen?“ Überrumpelt stand Drako in der offenen Türe und stammelte: „Verschwunden? Was ...? Wie ...? Nein, ich habe schon seit einigen Tagen nichts mehr von ihr gehört!“ Er beteuerte seine Unschuld und klärte die Beamten über den Streit auf. Es gab einen Konflikt in der Familie um den im Sterben liegenden Vater. Nach der Befragung des ersten Verdächtigen mussten die Beamten erst mal eine rauchen. „Und nun?“, fragte Inspektor Mayers. Lucy erwiderte: „Nun gehen wir zum Ehemann.“ „Weshalb das?“ „Statistisch betrachtet kommt der Partner am ehesten als Täter in Frage.“ Etwas verunsichert nickte Mayers. „Dann los“, sagte er und machte auf dem Absatz kehrt. Der Ehemann, Olaf Scott, war verärgert über den Verdacht. „Das ist eine bodenlose Frechheit! Ich habe ein Alibi!“ Er nannte den Namen eines Freundes, mit dem er den vergangenen Abend verbracht hatte. Dieser Freund, genannt Kai-Uwe, war Gärtner des örtlichen Friedhofs. Dort angekommen, klingelten sie an der verrosteten, alten Klingel. Nach einer kurzen Befragung, während welcher der Gärtner das Alibi bestätigte, machten sie einen kleinen Spaziergang durch den Friedhof, um sich kurz zu beraten. Die Friedhofsanlage wirkte sehr ordentlich, die alten Gräber waren symmetrisch angeordnet und gepflegt. Zurück beim Gartenhäuschen wurde Kommissarin Sturz stutzig. Neben der Türe stand eine rote Schaufel, an der frische Erde klebte. Sie drehte sich zu Mayers. „Ist das nicht merkwürdig? Hast du ein neues Grab gesehen?“ Er schüttelte den Kopf: „Mir wäre keines aufgefallen.“ – „Lass uns der Sache auf den Grund gehen!“
Fortsetzung ...
„Ein neues Grab? Nein, der letzte Todesfall war vor zwei Monaten, aber ich habe gestern bis spät in die Nacht gearbeitet und Blumen eingepflanzt.“ Nun wussten die Beamten, dass etwas nicht stimmen konnte, denn in der Befragung zuvor hatte Kai-Uwe felsenfest behauptet, dass er den ganzen Abend mit Olaf Scott verbracht hatte und im Stadion bei einem Fußballspiel gewesen war. „Nein ... ich meine ... wir haben das Spiel hier im Gartenhäuschen angesehen, am Fernseher!“ Doch nun hatten die Beamten den Braten gerochen! Sie forderten eine Inspektion des Friedhofs und aus Angst vor einer Gefängnisstrafe zeigte ihnen der Gärtner anstandslos das Gelände. Auf den zweiten Blick stach ihnen ein frisches Grab ohne Blumendekoration ins Auge. Es war so unscheinbar, dass sie es anfangs übersehen hatten. Ein Stück weit neben dem Grab erklang plötzlich ein elektrisches Surren. Leicht mit Erde bedeckt, lag dort ein Handy. Eine Nachricht leuchtete auf dem Display auf: „Ich vermisse dich so sehr. Wieso habe ich das getan? Ich bereue alles, mein Herz ist gebrochen.“
Nun ging alles ganz schnell! Lucy und Michael schöpften Verdacht, alarmierten die Einsatzkräfte der Cobra und machten sich auf den Weg, um das Haus des Verdächtigen, Olaf Scott, zu stürmen.
Als sie beim Haus ankamen, stand die Türe bereits offen und sie betraten es vorsichtig. Mit gezückter Waffe schlichen sie sich durch die Räume und nahmen dabei einen seltsamen Geruch wahr. Der Inspektor rümpfte die Nase und blickte fragend zu Sturz. „Blut?“, fragte er alarmiert. Eilig liefen sie weiter und standen schlussendlich in der Küche. Sie ließen ihren Blick durch den Raum schweifen und er blieb an einem Gemälde auf dem Küchentisch hängen. Aus dem Rahmen genommen, lag es dort verkehrt und enthielt eine selbst geschriebene Botschaft, die undeutlich auf die Rückseite geschmiert worden war. Im Hintergrund ertönte eine laute Stimme: „Alles sichergestellt!“, informierte der Offizier der Cobra. „Verstanden! Danke für Ihre Unterstützung“, murmelte Lucy, den Blick bereits auf das Gemälde in ihren Händen geheftet. Ihr gefror das Blut in den Adern, als sie die wenigen Zeilen las. Zeitgleich blitzte erneut eine Nachricht auf dem Handy in der Hand des Inspektors auf. „Meine geliebte India. Wir werden nun für immer vereint sein, an der Stelle, an welcher ich dir damals den Antrag gemacht habe. Für immer der Deine, dein Blut in meinem Herzen“, las er vor. Ein Anruf beim Gärtner genügte, um herauszufinden, von welcher Stelle die Rede war.
Mit Blaulicht und weit über der Höchstgeschwindigkeit machten sie sich auf den Weg. Am Ort des Geschehens, einer Klippe an der Küste Frankreichs, konnten sie nur noch beobachten, wie sich Olaf Scott mit einem großen Messer ins Herz stach und rückwärts in den Tod stürzte. Ein paar anwesende Passanten schnappten erschrocken nach Luft. Auch dem Inspektor fehlten die Worte, nur Lucy sagte knapp: „Was Liebe alles anrichten kann.“
Sie riefen die Spurensicherung und überließen das Einsammeln der Leiche den Experten. Nach der Obduktion der beiden Leichen stellte sich heraus, dass sie durch dieselbe Tatwaffe gestorben waren. Dies passte zu Olaf Scotts Geständnis, welches auf das Gemälde geschrieben worden war. Er hatte seine Frau aus Liebe umgebracht, um zu verhindern, dass sie ihn jemals verlassen könnte. Aus ihrem Blut fertigte er ein Kunstwerk an, um sie stets um sich zu haben. In seinem Wahnsinn hatte er übersehen, dass seine Frau nie vorgehabt hatte, ihn zu verlassen.